Zitat von
Mäusken
Nach meinem Studienende gab es auch keinen feierlichen Abschlußakt. Es gab einen Termin zur Diplomabgabe, und ich war mit dem Kopf gar nicht groß dabei, war schon quasi beim Packen, da eine Woche später mein Job beginnen würde. Ich war total überrascht, dass ich nicht nur auf meine Kommilitonen traf, sondern viele in Begleitung ihrer Partner, Freunde und Eltern erschienen - auf die Idee, jemanden einzuladen, bin ich damals überhaupt nicht gekommen. An die Verleihung selber habe ich überhaupt keine Erinnerung mehr, also muss es eher unspektakulär gewesen sein. Und ehrlich gesagt, das wäre auch im andersgelagerten Fall wohl nicht die Erinnerung gewesen, die ich behalten hätte, mir sind vor allem meine Erlebnisse und Erfolge in den studienbegleitenden Praktika in Erinnerung geblieben sowie das studentische Nachtleben und das hätte kein feierlicher Akt aufwiegen können. Genauso wie mir auch das Brimborium rund ums Abi egal gewesen war, ich wollte eigentlich nur endlich meine Ruhe haben, mich ein bisschen erholen, dann jobben, Führerschein und Maschinenschreibkurs machen und dann ins Studium aufbrechen. Haben wir beide Ereignisse in der Familie gefeiert? Habe ich keinerlei Erinnerung dran. Was ich damit sagen will: man lebt auch sehr gut ohne Feiern oder Gefeiertwerden. Das ist glaube ich nichts, was man später im Leben bereuen wird. Zurückblickend erinnere ich mich an die Phasen meines Lebens, in denen ich intensiv gelebt habe, vor allem dann, wenn sich neue Perspektiven erschlossen, etwas neues, aufregendes begann, Job, Wohnung, Stadt, frisch Verliebtsein, neues Hobby entdecken - nicht an die, in denen etwas geendet hat oder abgeschlossen wurde.
Es gibt ja Stimmen, die betonen, wenn die Coronakrise erst einmal vorbei ist, wird es eine kurze Phase des Aufatmens, des Erholens und des Kräftetankens gehen und danach kommt eine Folge lebensbejahender, feiernder, hedonistischer Jahre, in der Wirtschaft und Kultur neu aufblühen werden - so wie sich die Roaring Twenties an die Spanische Grippe anschlossen. Darauf konzentriere ich mein Denken, nicht darauf, was heute versäumt wird.