Es ist, wie immer, erschreckend, wie wenig informiert die Menschen bei gleichzeitiger, großer Klappe sind.
Ich habe bisher nur Leute gehört/ gelesen, die sich unermesslich über das „Hamstern“ aufregen – komisch, sind wohl alles Wichtel, die die Läden leer kaufen.
Meine Freundin hat gerade eine Krebserkrankung hinter sich, hat ein stark erniedrigtes Immunsystem (Leukozyten) und muss sich jeden Tag spritzen. Sie hat Angst, kein Sterilium für die Desinfektion für die Spritzenhandhabung zu bekommen und hat auch gleich zwei Packungen gekauft. Da wurde sie schon von einem dieser Besserwisser runtergeputzt. Und sie würde auch gerne mit Maske rumlaufen, auch, wenn es nur wenig Schutz bietet, so bietet es doch mehr als ohne. Aber sie schämt sich so. Es gibt nämlich Leute, die in Lachen ausbrechen, wenn sie sie sehen (wie hier auch geschrieben wurde).
Vielleicht sollten wir alle mal mehr Verständnis für andere aufbringen und für unterschiedliche Bedürfnisse und Lebenslagen. Jeder Jeck ist anders. Stattdessen überbieten sich momentan alle darin, die Lage besser zu checken, cooler zu sein und über andere zu richten.
Es gibt sicher Gründe, warum diese Epidemie anders gehandhabt wird, als andere. Dafür gibt es Experten. Es kann aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr wohl leichter mutieren. Eine Eindämmung und nicht zahllose Ausbreitung ist Vorsicht und die ist bekanntermaßen besser als Nachsicht.
Ebenso die Entscheidung, Messen abzusagen und keine Fußballspiele – die Gründe zu den Unterschieden wurden schon genannt: Draußen/ innen, Besucher und Aussteller sagen eh zum Großteil ab, Internationalität. Fußballfans sind in der Regel/ hauptsächlich im 200 km Umkreis des Stadions beheimatet. Eine Ausbreitung wäre somit eher regional begrenzt. Bei einer Messe und tausenden TeilnehmerInnen aus dem Ausland wird eine weltweite Ausbreitung forciert.
Wir haben letzte Woche, weil es da gerade erst los ging mit den Ereignissen, eine Tagung mit über 100 TeilnehmerInnen stattfinden lassen. Über 100 Professoren und Ärzte. Neben mir saß ein Kollege aus Hamburg, einen Tag zuvor hatte sein Kollege eine Infektion bestätigt bekommen. Wem wird da nicht mulmig? Im Nachhinein war es unvernünftig, die Tagung stattfinden zu lassen.
Was mich da richtig geschockt hat – die Teilnehmer hatten alle medizinischem Background, waren entweder selbst in der ärztl. Versorgung tätig oder hatten unmittelbar damit zu tun. Wir hatten auch einige Absagen wegen Corona, die Thematik war also bekannt. Und doch steht nach dem Toilettengang eine Dame neben mir und lässt sich nur für drei Sekunden Wasser über die Hände laufen. Und nein, ich habe sie danach beobachtet, sie hat keine weiteren Maßnahmen ergriffen.
Auch die Forderungen „nicht wegen Schnupfen zu Hause zu bleiben“ kann unter der Prämisse Vorsicht ist besser als Nachsicht gestellt werden. Ich glaube, vielen ist nicht bewusst, was es bedeuten kann, wenn der Virus sich nach schlimmsten Prognosen ausbreitet/ mutiert. Dann kann eben die tägl. Versorgung (Krankenversorgung, Infrastruktur) erheblich eingeschränkt sein. Ich denke, da ist drei Tage zu Hause bleiben, um sicher zu gehen, das kleinere Übel.
"Man kann nicht allen helfen“, sagt der Engherzige und hilft keinem. Marie von Ebner-Eschenbach, Schriftstellerin
Es gibt Menschen, die sich immer angegriffen fühlen, wenn jemand die Wahrheit sagt. Christian Morgenstern