Helmut Schmidt ist tot

[apia]

Wie gesagt ich fand ihn klug und interessant, aber er war keine fehlerfreie Lichtgestalt oder moralische Instanz und mir ist es etwas zu viel, dass er jetzt so dargestellt wird. Er hat sich selbst auch nicht so gesehen.

[Exuser64]

Ich fand ihn auch großartig und der einzige Politiker, den ich wirklich mochte. Sein Rauchverhalten bzw. sich über jegliche Rauchverbote hinwegzusetzen, fand ich allerdings sehr daneben, schon immer.

[Gästin]

er war keine fehlerfreie Lichtgestalt oder moralische Instanz und mir ist es etwas zu viel, dass er jetzt so dargestellt wird.

Nein, er war nicht fehlerfrei, er war menschlich, er war kein "designter" Politiker, er war überhaupt nicht stromlinienförmig wie die heutigen Politker, er war Schmidt-Schnauze. Das war es aber auch, was die Menschen an ihm mochten.

Für die Hamburger war er während der Sturmfluttage von '62 und danach aber tatsächlich eine Instanz, eben der Lotse, den sie jetzt verabschieden. Für die ist er unvergessen. Ich persönlich finde sehr schön, dass die Menschen ihm auch heute noch zeigen, wie wichtig er für sie gewesen ist.

Mich nervt es eher ab, wenn man meint, die Trauer anderer schon jetzt durch Kritik stören zu müssen. Kann man damit nicht warten, bis der Leichnam kalt ist?

[Bird]

Ich denke, da ist jetzt auch viel Projektion und Verherrlichung im Nachhinein dabei. Natürlich kann man leichter seine Meinung kundtun, wenn man gar nicht mehr regieren muss. Wie Apia schon schrieb, war er zu seiner Regierungszeit ja nicht unumstritten. Ich sage nur Nato-Doppelbeschuss bspw.

ABER: das heißt doch alles nicht, dass man nicht trauern darf, seinen Tod nicht als Verlust sehen darf, etc. Wem steht das denn zu, darüber zu urteilen, was man betrauern darf und was nicht?

Ich persönlich empfinde es als Verlust. Ich bin wie viele hier zu jung, um ihn als aktiven Politiker erlebt zu haben. Aber als Kanzler a.D., der doch immer noch zu allem eine Meinung hatte, als Mitherausgeber und Kolumnist der Zeit, als "unser Elder Statesman" hat er doch die Bundesrepublik bereichert.

[Mayanmar]

Ich bin seit vorgestern Abend ganz runter ich habe ihn so verehrt, fast alle Bücher von ihm gelesen, er war mein 1. bewusst erlebter Kanzler und ich habe es geliebt, ihn bei Sandra Maischberger zu sehen..

ich könnte ihn hier mit so vielen Attributen belegen... ich sag nur eines: er war mein intellektueller Held!

Gestern Abend habe ich auf arte eine Sendung mit ihm und seinem langjährigen Freund Valéry Giscard d'Estaing gesehen.. ich hab ständig heulen müssen.

Die ganzen charismatischen, intellektuellen Vollblutpolitiker.. alle tot. Und wir sitzen hier mit diesen Pappnasen Armes Deutschland.

[vivian]

Er hatte doch eine neue Freundin hier auf Erden. Oder?

Ja, seit 2 oder 3 Jahren. Was ist das gegen eine Frau, mit der er 80 (!!) Jahre seines Lebens verbracht hat?

Und natürlich war er keine fehlerfreie Lichtgestalt. Aber er war ein Politiker mit einer außergewöhnlichen rhetorischen Begabung. Da hab ich mir als Jugendliche Bundestagsdebatten angehört. Nur so zum Spaß.
Würde ich heute nicht mehr machen.
Außerdem war er -soweit ich weiß- der einzige deutsche Bundeskanzler mit einer intellektuellen Ausrichtung, interessierte sich für Kunst und Musik (und hatte auch noch Ahnung davon!), spielte wunderbar Klavier, las Gedichte usw.

[Krisja]

"Ne", einfach herrlich
https://www.facebook.com/maischberge...3745662527433/

[astama]

Die ganzen charismatischen, intellektuellen Vollblutpolitiker.. alle tot. Und wir sitzen hier mit diesen Pappnasen Armes Deutschland.

Das kann man wohl laut sagen!

Ich war als Kind einmal mit meinem Vater auf einer 1. Mai-Kundgebung, da sprach Willy Brandt. Ich hatte ja als Kind noch gar keine Ahnung von Politik, aber der hat so Eindruck auf mich gemacht, daß ich mich heute noch daran erinnere.

[Lilibeth]

Die ganzen charismatischen, intellektuellen Vollblutpolitiker.. alle tot. Und wir sitzen hier mit diesen Pappnasen Armes Deutschland.

Wahre Worte.

[apia]

Oh je.
Natürlich kann man trauern und ihm auch gut finden. Ich stand ihm auch positiv gegenüber.
Mir ist es einfach etwas zu viel Verherrlichung.
Ich habe auch noch nicht mal Interesse ihn zu kritisieren, nur Vorsicht bei der Verehrung, mir war das echt zu viel Heiligsprechung die letzten Tage.
Die Einstellung, dass alle guten tot sind ist auch nicht sehr förderlich.
So kann man neuen Leuten doch überhaupt keine Chance geben.
Warum sollen ALLE automatisch schlecht sein, die neu sind?

Ich bin mir übrigens zu 100% sicher, dass er in seiner aktiven Zeit von manchen auch als pappnase bezeichnet wurde, gerade wenn Leuten seine Einstellung nicht gepasst hat.